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Neuer Modulator kostet ca. 275.000 € pro Jahr

Nur ein fairer Preis sichert langfristige Verfügbarkeit

Foto: Reihe von AutosDer neue Modulator („Kaftrio“ in der EU, „Trikafta“ in den USA) kostet in den USA 311.000 $ (1), also ca. 275.000 € pro Jahr, das entspricht pro Monat einem neuen Mittelklasse-PKW (2). Nach dem AMNOG-Verfahren wird zwar nach einem Jahr ein Rabatt mit den Krankenkassen verhandelt, der lag aber bei Orkambi nur in der Größenordnung von 10%. Der Hersteller würde im Laufe des Lebens eines heute geborenen Mukoviszidose-Patienten (der z.B. 70 Jahre lang das Medikament schluckt) mehr als 17 Mio. Euro kassieren. Sobald 80% der CF-Patienten in Deutschland damit versorgt würden, gäben die Krankenkassen dafür jährlich mehr als 1,2 Mrd. € aus.

Sind 275.000€ fair und angemessen für ein Medikament, dessen Erforschung und Entwicklung ursprünglich mit 150 Mio.$ von der amerikanischen Patientenorganisation CFF bezahlt wurde (3)? Das können andere besser beurteilen als wir: Das amerikanische „Institute for Clinical and Economic Review“ ist eine unabhängige gemeinnützige Organisation, die Kostenwirksamkeits-Analysen für neue Behandlungen erstellt. ICER legte im Mai 2020 eine umfassende Analyse (4) vor und bestätigte zunächst, dass Kaftrio die Lebenserwartung und die Lebensqualität von CF-Patienten dramatisch verbessere. Der hohe Preis und die Notwendigkeit der lebenslangen Anwendung führten aber zu Kosten von 1,1 bis 1,5 Millionen Dollar pro qualitätskorrigiertem Lebensjahr (QALY), was weit über den allgemein akzeptierten Kosteneffektivitätsschwellen liege. Für ein angemessenes Verhältnis von Kosten zu Gesundheits-Nutzen müsse der Preis auf ein Viertel des aktuellen Listenpreises gesenkt werden, entsprechend einem Rabatt von 75% (5).

Wege zu niedrigeren Preisen

Der europäische Dachverband der Patientenorganisationen für seltene Erkrankungen (European Organisation for Rare Diseases, kurz EURORDIS) kritisiert die undurchsichtige Preisgestaltung einiger pharmazeutischen Hersteller für Orphan Drugs. EURORDIS fordert daher, die Preise bis 2025 auf ein Drittel bis ein Fünftel im Vergleich zu heute zu reduzieren. Dazu empfiehlt EURORDIS den nationalen Gesundheitssystemen, die Preisverhandlungen mit den Herstellern zwischen den Ländern abzustimmen (6).

Im Kinofilm „Dallas Buyers Club“ (2013) schmuggelt ein HIV-Infizierter wirksame HIV-Medikamente, die in den USA nicht zugelassen sind, aus Mexiko ein und „verschenkt“ sie gegen einen monatlichen Mitgliedsbeitrag von 400$ an die Mitglieder des Clubs. Solche Clubs lösen heute reale Medikamenten-Zugangsprobleme in vielen Ländern der Welt, insbesondere wenn Gesundheitssysteme wegen überhöhter Preise der Hersteller die Erstattung ablehnen. Jede Woche nehmen z.B. Tausende von britischen Bürgern über Käuferclubs gekaufte HIV-Medikamente ein. Nach diesem Vorbild will ein britischer CF-Käuferclub Generika von CF-Modulatoren für Mukoviszidose-Patienten auf der ganzen Welt bereitstellen: Die argentinische Firma Gador verkauft z.B. das Medikament Lumacaftor 200 mg - Ivacaftor 125 mg als „Lucaftor“ (7), zu einem Preis, der ungefähr einem Viertel des Listen-Preises des Originalherstellers entspricht (8). Unter dem Eindruck dieser Aktivitäten einigte sich die englische NHS mit dem Hersteller auf eine (geheim gehaltene) Preis-Paketlösung für bisherige Modulatoren (9).

Nach dreijährigen zähen Verhandlungen wurde vor kurzem auch eine Paketlösung für die Bezahlung der bisher zugelassenen Modulatoren zwischen dem Schweizer Bundesamt für Gesundheit und dem Hersteller gefunden. Auch hier bleibt der Preisnachlass des Gesamtpakets geheim. Ein wichtiger Hebel war wieder ein „Käufer-Club“ von Schweizer Eltern nach britischem Modell zum Import des argentinischen Generikums (10): Die Elterngruppe hätte beim Staat eine Zwangslizenz für den Mitbewerber beantragt, die möglich ist, wenn ein Hersteller ein Monopol auf eine Therapie hat und die marktbeherrschende Stellung für hohe Preise missbraucht.

Es geht hier nicht um die Bewertung, was ein Menschenleben wert ist. Vielmehr ist es eine Frage der Gerechtigkeit: In unserem Beispiel müssen 75 gesunde Beitragszahler ihren gesamten Krankenkassenbeitrag lebenslang nur für einen Mukoviszidose-Patienten zahlen, damit er mit Kaftrio behandelt werden kann. Wird die Solidargemeinschaft der Versicherten solch ein extremes Ungleichgewicht dauerhaft akzeptieren? Und was passiert, wenn das nicht mehr der Fall ist? Die Bereitschaft des deutschen Gesundheitssystems, solche Mondpreise zu bezahlen, verringert außerdem die Chancen der Mukoviszidose-Patienten in anderen (europäischen) Ländern, jemals eine Kostenerstattung für Kaftrio zu bekommen.

Ein fairer Preis für ein neues Medikament sollte einerseits dem Hersteller eine ausreichende Gegenleistung für seine Investition für die Entwicklung des Medikaments incl. Risikozuschlag bieten und andererseits für die Krankenkassen langfristig tragbar sein, um den dauerhaften Zugang für die Patienten zu sichern. Es ist zu befürchten, dass die Versichertengemeinschaft den aktuellen Preis nicht dauerhaft akzeptieren wird. Auch im Interesse der Mukoviszidose-Patienten muss deshalb das Ziel lauten, einen fairen und angemessenen Preis für Kaftrio zu erreichen.

Stephan Kruip

(dieser Text wurde zuerst im Mitgliedermagazin des Mukoviszidose e.V. muko.info Ausgabe 4/2020 veröffentlicht)

Literatur:
1) https://www.reuters.com/article/us-vertex-pharms-fda-idUSKBN1X024U
2) https://www.autobild.de/artikel/vw-golf-8-2019-preis-bestellbar-16154393.html
3) “Deal by Cystic Fibrosis Foundation Raises Cash and Some Concern” New York Times 19.11.2014 https://www.nytimes.com/2014/11/19/business/for-cystic-fibrosis-foundation-venture-yields-windfall-in-hope-and-cash.html
4) “Trikafta Very Effective CF Therapy, But Still Too Costly, ICER Reports” MAY 8, 2020 Ines Martins, PhDBY INES MARTINS, PHD https://cysticfibrosisnewstoday.com/2020/05/08/trikafta-very-effective-cf-therapy-but-still-too-costly-icer-reports/
5) Modulator Treatments for Cystic Fibrosis: Effectiveness and Value
Final Evidence Report and Meeting Summary September 23, 2020,  https://icer.org/wp-content/uploads/2020/08/ICER_CF_Final_Report_092320.pdf
6) Eurordis (Hg.) (2018): Breaking the Access deadlock to leave no one Behind. A contribution by EURoRdiS and its members on possibilities for patients’ full and Equitable Access to Rare disease therapies in Europe. http://download2.eurordis.org.s3.amazonaws.com/positionpapers/eurordis_access_position_paper_final_4122017.pdf
7) https://www.gador.com.ar/productos/lucaftor/#0
8) CF Byers club: How much will the medicines cost? https://www.cfbuyersclub.org/faqs
9) Access to Orkambi and Symkevi agreed in England 24.10.2019 https://www.cysticfibrosis.org.uk/news/access-to-orkambi-and-symkevi-agreed-in-england
10) Jessica Davis Plüss: “Swiss deal on cystic fibrosis drugs could change price negotiations” 21.04.2020 https://www.swissinfo.ch/eng/patient-pressure_swiss-deal-on-cystic-fibrosis-drugs-could-change-drug-price-negotiations/45705128

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Foto: Ethikrat Stephan Kruip am RednerpultStephan wurde 2016 in den 26-köpfigen Deutschen Ethikrat berufen (hier sein kurzes Vorstellungsvideo). 2018 hielt er Vorträge über Ethische Probleme von Menschen mit seltenen Erkrankungen und über Menschenwürde und Keimbahntherapie. Zum Weiterlesen: Infobrief des Deutschen Ethikrats. Seit der Wiederberufung 2020 beschäftigen wir uns vor allem mit der Corona-Pandemie, z.B. die Impf-Reihenfolge und besondere Regeln für Geimpfte? 


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