Kritische und besorgte Anmerkungen zur Asyldebatte wären willkommen, aber Dr. Boher betreibt mit diesem Artikel im CSU-Zorneding-Report politische Brandstiftung, und ich fühle mich verpflichtet, dagegen zu protestieren. Sie vertritt nämlich im Wesentlichen zwei Thesen:
Ist es christlich, die Staatsbürgerschaft zur Voraussetzung für Solidarität zu machen? Da lohnt sich ein Blick in die Bibel: „Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten, und du sollst ihn lieben wie dich selbst.“ (3. Mose/ Lev 19, 33f ). Im Gleichnis vom guten Samariter (Lk 10,25-27) wird deutlich, dass auch ein bisher fernstehender Mensch zum Nächsten wird, den man lieben soll. Die Gemeinschaft in Christus löst ethnische Grenzen sogar völlig auf: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid ‚Einer‘ in Christus Jesus“ (Gal 3,28). In Mt 25,31-36 wird die Behandlung des Fremden sogar zum entscheidenden Kriterium für das Heil oder Unheil des Menschen (1). Mit dem „gläubig aufwärts“ des Franz-Josef Strauß wird es also bei Dr. Boher nichts.
Ist es sozial, arme Deutsche gegen Asylbewerber auszuspielen? Auf wen wird da eigentlich gezeigt? Die Unionspolitiker haben die Altersarmut bei den Rentenreformen doch bewusst mitgestaltet. Man könnte der Altersarmut relativ leicht begegnen, wenn man nicht aus ideologischen Gründen die Vermögenssteuer für Superreiche kategorisch ablehnen würde. Da schimpft man lieber auf angeblich „linksdominierte Medien“, obwohl sich die Zeitungen in Deutschland nachweislich in der Hand weniger reicher konservativer Familien befinden. Oder man redet eines der besten Gesundheitswesen der Welt schlecht („Behandlung nur dank Spenden möglich“), um den Neid ggü. den Asylbewerbern zu schüren. Tatsächlich haben arme Deutsche bisher kaum darunter gelitten, dass Deutschland die Asylbewerber menschlich behandelt.
Die CSU einer Dr. Boher müsste sich also umbenennen, denn ihre Überzeugung ist weder christlich noch sozial. Zur Erinnerung: Das Asylrecht für politisch Verfolgte ist im Grundgesetz verankert, weil im Dritten Reich viele Deutsche sterben mussten, die in den Nachbarstaaten kein Asyl bekamen. Ich meine: Auf dieses Grundgesetz können wir stolz sein. Was würde Franz-Josef Strauß also zum Artikel von Dr. Boher sagen? "Weltanschauungen sind dogmatische Bastarde, gezeugt aus ungeduldiger Quasi-Religiosität, die gleichsam die Apokalypse nicht erwarten kann." (FJS, 1982). Strauß hat seine Gegner auch schon mal mit "Wenn's schon kein Hirn haben, dann halten Sie's Maul wenigstens." abgekanzelt. Ich finde eher: Wir müssten drüber reden.
Weil der Zorneding Report a) wiederholt solche unerträglichen Artikel von Dr. Boher veröffentlicht (man denke an ihr Plädoyer gegen Klimaschutz), b) Leserbriefe grundsätzlich nicht abdruckt und c) sein Titelblatt den irreführenden Eindruck einer offiziellen Schrift der Gemeinde Zorneding erweckt (ein offensichtlicher Verstoß gegen das Presserecht), werde ich die inserierenden Firmen in Zukunft nach Möglichkeit meiden.
Stephan Kruip
(1) zum Nachlesen: „… und der Fremdling, der in deinen Toren ist.“ Gemeinsames Wort der Kirchen zu den Herausforderungen durch Migration und Flucht.
Von 2016 bis April 2024 durfte ich im Deutschen Ethikrat mitwirken. Neben der Corna-Pandemie mit all ihren ethisch relevanten Problemen (z.B. Impf-Reihenfolge und besondere Regeln für Geimpfte?) haben wir viele Themen von Genome-Editing (Keimbahntherapie) und Menschenwürde, Arzneimittelpreise, Organspende, assistierter Suizid, Nutzung von Daten aus der Gesundheitsakte für die Forschung, Probleme von Menschen mit seltenen Erkrankungen bis hin zur Klimagerechtigkeit behandelt. Zum Weiterlesen: Infobrief des Deutschen Ethikrats.
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Charles Bukowski