Zorneding, 21 Uhr. Stephan Kruip, 47, hat gerade seine Kinder ins Bett gebracht, da kommt der Kampf mit dem inneren Schweinehund: Fernsehen? Lesen? Oder doch noch die Schuhe und die Laufklamotten anziehen und 7 km durch den Ort joggen? Er meint: „Dieser Moment entscheidet über meine Gesundheit.“
„Wenn ich vor zehn Jahren von einem CFler gelesen habe, der joggt, habe ich immer ein wenig neidisch gedacht: Wie gut muss es dem gehen, dass er mehrere Kilometer am Stück laufen kann! Für mich damals undenkbar. Heute bin ich der Überzeugung: Diesen Läufern geht es so gut, weil sie laufen. Mein Weg zum Sport war weit und beschwerlich: Er begann mit dem Trauma des Schulsports und endete meist mit guten Vorsätzen zum Radfahren, Schwimmen oder zur Fitnessgymnastik.
Dann lernte ich vom AK Sport, dass Angestellte aus New-Yorker Bürotürmen ohne Aufzug später als Rentner um so länger leben, je höher ihr Arbeitsplatz im Hochhaus lag. Ich begann also widerwillig, Treppensteigen in meinen Alltag einzubauen: 220 Stufen von den S-Bahn-Gleisen bis ins Büro im achten Stock. Am ersten Tag konnte ich vor Luftnot nicht mehr „Morgen“ sagen, aber nach einem Jahr nahm ich zwei Stufen auf einmal! Eines Tages hatte ich Sehnenscheiden-Entzündungen durch Computerarbeit: Ich war vier Wochen zu Hause und durfte meine Hände nicht benutzen. Vor lauter Langeweile begann ich mit 30 Minuten jeweils eine Minute joggen, dann gehen und husten, am nächsten Tag zwei Minuten usw. Am Ende des Monats konnte ich 20 Minuten durchlaufen! Ich schnaufte anfangs viel zu langsam, sodass ich müde wurde, und musste lernen, den Atemrhythmus freizugeben. Heute schaffe ich 10 km in einer Stunde und vermisse das Laufen, wenn es längere Zeit ausfällt.
Die Begründung für den ganzen Aufwand stimmt: Schwitzen durch Anstrengung normalisiert den krankhaft veränderten Spannungslevel auf der Schleimhaut, das heißt auf irgendeine Art werden die verstopften Ionenkanäle leitend – also eine Therapie, die an der Ursache der Mukoviszidose ansetzt! Die Erschütterung beim Laufen löst dann den verflüssigten Schleim. Man muss das leider selber durchziehen und bekommt nichts verschrieben. Doch das Schönste ist eindeutig, beim Laufen den Wind an den Ohren zu spüren ...“
Stephan Kruip ist 2. stellvertretender Bundesvorsitzender des Mukoviszidose e.V. und lebt mit seiner Familie in der Nähe von München. Der Artikel erschien in muko.info Ausgabe 4/2012 (S. 34).
Anmerkung des Autors im März 2014: Meine Lungenfunktion ist praktisch im Normalbereich (FEV1 > 80%, kein Absinken des PO2 unter Belastung), daher ist der Weg zum Sport für andere CF-Patienten viel beschwerlicher. Aber meine Lungenfunktion war vor 20 Jahren bei ca. 60% FEV1, auch damals konnte ich Sport treiben. Jedenfalls kann man von jedem Startpunkt aus seine Fitness verbessern.
Von 2016 bis April 2024 durfte ich im Deutschen Ethikrat mitwirken. Neben der Corna-Pandemie mit all ihren ethisch relevanten Problemen (z.B. Impf-Reihenfolge und besondere Regeln für Geimpfte?) haben wir viele Themen von Genome-Editing (Keimbahntherapie) und Menschenwürde, Arzneimittelpreise, Organspende, assistierter Suizid, Nutzung von Daten aus der Gesundheitsakte für die Forschung, Probleme von Menschen mit seltenen Erkrankungen bis hin zur Klimagerechtigkeit behandelt. Zum Weiterlesen: Infobrief des Deutschen Ethikrats.
Mukoviszidose im Embryo reparieren? Mit sog. Genscheren wie Crispr-Cas9 können auch die Gene der menschlichen Keimbahn - z.B. in Samenzellen, Eizellen oder Embryonen - verändert werden. Aber darf der Mensch sich selbst verändern? Lesen Sie hier weiter...
Menschen mit seltenen Erkrankungen schützen: Deutscher Ethikrat fordert gerechtere Versorgung. In seiner im November 2018 veröffentlichten Ad-hoc-Empfehlung fordert der Deutsche Ethikrat eine Reihe von Maßnahmen zum Schutz vor unzureichender Versorgung der Betroffenen. Lesen Sie hier weiter...
Widerspruchslösung bei der Organspende? Rund 10.000 Menschen in Deutschland warten auf ein Spenderorgan. Im September 2018 hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn eine Debatte zur Widerspruchslösung angestoßen. Zu den Hintergründen lesen Sie hier.
FAQ zur Corona-Pandemie: Mein Widerspruch gegen Falschmeldungen, Fake-News, Verschwörungstheorien - statt dessen vertrauenswürdige Quellen. Weiterlesen...
Was ist ein fairer Preis für Kaftrio? Der neue Modulator kostet ca. 275.000 € pro Jahr, das entspricht pro Monat neuen Mittelklasse-PKW. Was wäre ein fairer Preis für dieses hochpotente Medikament? Lesen Sie hier den gesamten Artikel.
Weitergabe gebrauchter Arzneimittel: Risiken und rechtlicher Graubereich. Neulich in einer CF-Facebook-Gruppe: „Wir haben 2x Orkambi über und wollten fragen, of es jemand geschenkt haben möchte?“ Was Sie über die Weitergabe von gebrauchten Medikamenten wissen müssen. Weiterlesen...
Das Ziel der Darmspiegelung ist es, Polypen (d.h. Wucherungen, die krebsartig werden können) zu identifizieren und zu entfernen. Für Mukoviszidose-Patienten ist eine gute Vorbereitung für eine effektive Koloskopie unerlässlich. Weiterlesen...
Stephan´s Großvater Dr. Martin Hebel: Er war Bürgermeister in Hechendorf nach dem Zusammenbruch 1945. Lesen Sie hier seine Aufzeichnungen aus einer schweren Zeit
Kein Dammbruch bei der PID: Ein Bericht des Deutschen Bundestages war Anlass, Bilanz zu ziehen: Wie hat sich das PID-Gesetz ausgewirkt?
Große Ambulanzen bevorzugt? Immer wieder wird die These vertreten, große Ambulanzen seien den kleineren in Behandlungsqualität und Outcome überlegen. Stimmt das denn?
Ethik und Mukoviszidose: PID, Screening, Xenotransplantation, Pflicht der Eltern zur Therapietreue
"Das Problem ist, wir suchen jemanden, mit dem wir zusammen alt werden, während das Geheimnis darin besteht, jemanden zu finden, mit dem man ein Kind bleiben kann!"
Charles Bukowski